Das Johannesviertel

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Das Johannesviertel liegt im Nord-Westen der Darmstädter Innenstadt. Es wird im Süden von der Bismarkstraße und nord-westlich von der Kasinostraße eingerahmt. Im Osten verläuft die Frankfurter Straße. Hier grenzt das Viertel direkt an den Stadtpark "Herrngarten".
Zur Geschichte des Johannesviertels
Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Einwohnerzahl Darmstadts stark an: Der Grund lag zum Einen daran, dass Napoleon die kleine Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zum Großherzogtum gemacht hatte - das mit viel Personal verwaltet werden musste. So stieg die Zahl der Beamten in der Stadt und damit jener Familien, die ein neues Quartier suchten, plötzlich sprunghaft an. Hinzu kam 1846 der Eisenbahnanschluss Darmstadts - und die beginnende Industrialisierung mit den dampfenden Fabriken zog viele Arbeiter an, sodass neuer Wohnraum für Familien dringend nötig wurde.
Stadtentwicklung nach fortschrittlichen Grundsätzen
Das heutige Johannesviertel entstand aus einem unbebauten Quartier im flachen
Nordwesten Darmstadts und wurde durch die Berliner Gesellschaft Blumenthal & Cie.
ab 1872 erschlossen. Bauen konnte in der stürmischen Konjunktur der sogenannten
Gründerjahre fast jeder der bauen wollte. So muss zwischen 1872 und 1875 der Kern
des neuen Viertels um den Johannesplatz (der damals noch Wilhelmsplatz hieü) eine
lebhafte Großbaustelle gewesen sein.
Neu war das Modell des Hauskaufes für Vermietungen: So war es für die entstandenen
Häuser typisch, dass in der sogenannten "Bel Etage", dem 1. Obergeschoss, der
zahlungskräftige Mieter - etwa Landgerichtsrat oder Bankdirektor - wohnte und im
kälteren unterkellerten Erdgeschoss der Handwerker mit seiner Werkstätte im geräumigen
Hinterhof.
So sind auch heute noch in vielen Hinterhöfen kleinere - mittlerweile zu Wohnraum
umfunktionierte - Gebäude zu finden.
Eine Besonderheit der Planung der Blumenthalschen Terraingesellschaft waren die
durchgrünten Straßen mit Vorgärten und Baumalleen und Balkonen, wo immer es ging.
Auch für Hausgärten war Platz, denn der einheitliche Bebauungsplan verhinderte
das Anlegen von Hinterhäusern wie es ansonsten in Darmstadts Zeit der
Bodenspekulation üblich war.
Einladende Fassaden und gründerzeitliches Flair
Das anspruchsvollste Mietshaus in ganz Darmstadt entstand an der Nordseite des
Wilhelmsplatzes, alsbald vom Volksmund "Louvre" genannt. Hier wohnten
einflussreiche Darmstädter wie der Oberbürgermeister Albrecht Ohly, der Leiter
der Baugesesellschaft Heinrich Blumenthal selbst oder der preußische Gesandte
Graf v. Lynar: Dieser musste, wie er schriftlich bekundete - dank extrem hoher
Hofdurchgangshöhe im Louvre - nicht vom Pferd abzusteigen, wenn er zuhause ankam.
Das Johannesviertel heute ist in seiner ursprünglichen Bausubstanz recht gut
erhalten und nimmt im hessischen Landesvergleich der gründerzeitlichen Viertel
einen hohen Rang ein. Dies ist auf den glücklichen Zufall zurück zu führen,
dass der britische Bombenangriff 1944 auf Darmstadt im Nordosten der Stadt nicht
ganz nach Plan funktionierte.
Ein Viertel zum Wohnen und Leben
Für eine kostspielige "Infrastruktur" wie wir es heute bezeichnen würden, also
Schulen, Kirche, Kindergärten etc. waren zur Zeit der Gründung keine Bauplätze
vorgesehen. Der Platz dafür entstand erst - wie z. B. für die Goetheschule, als
lärmende Betriebe wie eine Dampfschneidemühle, an den industrialisierten Rand
(heute westlich von der Kasinostraße) verlagert wurden. Durch die Verlegung der
städtischen Gasanstalt 1902 wuchs so die heutige "Schulinsel" mit
Justus-Liebig-Schule und Eleonorenschule.
An der Seite der Liebigstraße fuhr seit 1903 die elektrische Eisenbahn, deren
gusseiserne Rosetten für die Fahrstromleitung noch heute an manchen Häusern zu
sehen sind. 1960 wird die Straßenbahn von der Buslinie abgelöst.
Nach der Stadtkirche (älteste Erwähnung 1396) und der Martinskirche (1885) entstand 1893/94 die Johanneskirche auf dem alten Wilhelmsplatz, der jetzt seinen neuen Namen - Johannesplatz - erhält. Der neugotische Kirchenbau wurde nach den Plänen von Prof. Heinrich von Schmidt und des Berliner Kirchenbaumeisters Karl Schwartze ausgeführt und wurde nach der starken Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, innen leicht verändert, wieder aufgebaut.
Ein 1879 für den liberalen hessischen Politiker August Metz errichtetes Denkmal stand bis in die dreißiger Jahre an der Südspitze des Platzes. Die alte Mosaik-Ornamentpflasterung auf den Gehwegen bot eine kunstvolle, dem Stil der Bauten angepasste optische Unterbrechung des Weges.
Quellen:
- Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Darmstadt, Landesdenkmalamt für Denkmalpflege (Hrsg.), Wiesbaden 1994
- 100 Jahre Goetheschule Darmstadt (Festschrift) 1887 - 1987, Goetheschule (Hrsg.), Darmstadt 1987
- Darmstädter Gärten, Darmstadt 1981; u. weitere
- Bilder: Stadtarchiv Darmstadt






